Die Richtlinie (2001/37/EG) regelt die „Herstellung, Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen“, z. B. die Gestaltung der Warnhinweise, die Offenlegung von Zusatzstoffen und das Verbot von bestimmten Produktbezeichnungen wie „Mild“ oder „Light“. Diese Richtlinie wurde 2001 vom Europäischen Parlament und dem Rat verabschiedet und 2002 in Deutschland umgesetzt.
Artikel 11 der Richtlinie legt fest, dass die Kommission in der Regel alle zwei Jahre einen Bericht über die Anwendung der Richtlinie vorlegen soll. Nach zwei Berichten in den Jahren 2005 und 2007 hat sich die Kommission entschlossen, die Tabakprodukt-Richtlinie zu überarbeiten und eine sogenannte Folgenabschätzung („impact assessment“) möglicher Änderungen gestartet.
Teil dieser Folgenabschätzung war eine Online-Konsultation von EU-Bürgern und Interessenvertretern aus Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und Behörden, die vom 24. September bis zum 17. Dezember 2010 stattfand. Die Europäische Kommission machte deutlich, dass sie die Meinungen und Informationen aus der öffentlichen Konsultation berücksichtigen wolle.
Im Juli 2011 lagen die Ergebnisse der Konsultation vor: Insgesamt wurden 85.513 Einwendungen eingereicht - noch nie wurde eine vergleichbar hohe Zahl erreicht. 96 Prozent der Einwendungen kamen von EU-Bürgern, was ein klares Zeichen für das starke öffentliche Interesse an dem Thema ist.
Die meisten Eingaben von EU-Bürgern richteten sich gegen die neuen Regulierungsvorschläge. Viele Bürger bezweifelten, dass die Einführung von Einheitspackungen und Bildwarnhinweisen Jugendliche vom Rauchen abhielte oder die Verbreitung des Rauchens eindämmen würde. Sie sahen eher die Gefahr, dass der illegale Handel erleichtert würde.
Am 19. Dezember 2012 präsentierte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine neue Richtlinie. Ende 2013 erfolgte die politische Einigung über die neue Richtlinie zwischen den Mitgliedstaaten der EU und den Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Die formelle Verabschiedung erfolgte am 26. Februar 2014 im Europäischen Parlament bzw. am 14. März 2014 durch die Mitgliedstaaten im EU-Ministerrat. Nach Veröffentlichung der Richtlinie im Amtsblatt der EU und ihrem Inkrafttreten zwanzig Tage später mussten die Mitgliedstaaten die geänderten Bestimmungen innerhalb einer Frist von 24 Monaten in nationales Recht umsetzen.
Die am 19. Mai 2014 in Kraft getretene neue EU-Tabakproduktrichtlinie (TPD) sieht eine Verschärfung der Regelungen zur Herstellung, Präsentation und dem Verkauf von Tabakwaren vor. Diese Richtlinie musste bis zum Mai 2016 in nationales Recht umgesetzt werden.
Für die hiesige Tabakwirtschaft scheinen die schlimmsten Befürchtungen einzutreten. Die kürzlich veröffentlichten Regelungsvorschläge des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zur Umsetzung der von der EU beschlossenen Tabakproduktrichtlinie in nationales Recht sehen erhebliche Verschärfungen für die gesamte Branche vor. Die Bundesregierung will weit über die EU-Richtlinie hinausgehen und plant entgegen dem Koalitionsvertrag keine 1:1-Umsetzung. Statt der von der EU vorgesehenen Produktregulierung droht eine tiefgreifende Marktregulierung. Die bisherigen Vorschläge sind daher auf harsche Kritik von Mittelstand, Industrie und Gewerkschaftsvertretern gestoßen.
Das eigentliche Ziel, dass Konsumenten signifikant weniger rauchen, wird weit verfehlt. Stattdessen stehen mehr als 100.000 Arbeitsplätze in Deutschland auf dem Spiel, sprudelnde Steuereinnahmen werden ignoriert und zahlreiche kleinere Unternehmen werden an den Rand der Existenzvernichtung gedrängt.
Neben zahlreichen Verschärfungen stellen fünf Kernpunkte die schwerwiegendsten Herausforderungen für die Branche dar:
Produktionsstillstand mangels Übergangsfristen
Eine Umstellung der Produktionsanlagen zum 20. Mai 2016 stellte eine erhebliche Herausforderung für die Unternehmen dar. Die notwendigen gesetzeskonformen Umstellungen in der Produktion und im Handel geschehen nicht von heute auf morgen. Dies konstatierte auch ein vom Deutschen Zigarettenverband beauftragtes Technisches Gutachten der HTWK Leipzig. Für die drucktechnische Umsetzung für Zigaretten und Tabak zum Selbstdrehen werden mindestens 15 Monate, für die Umstellung der Verpackungsmaschinerie für Tabak zum Selbstdrehen mindestens 20 Monate benötigt. Was für andere Branchen undenkbar wäre, ist für die heimische Tabakindustrie ein absurdes und fatales Szenario: Stillstand in den Produktionsstandorten wegen fehlender Rechtssicherheit und mangelnder Übergangsfristen.
Verbot von Menthol
Im nationalen Alleingang sollen Zigaretten mit Mentholgeschmack nicht erst ab 2020 sondern bereits ab Mai 2016 verboten werden. Während Polen sogar gegen das Mentholverbot vor dem Europäischen Gerichtshof klagt, will man in Deutschland auf die vierjährige Übergangsfrist verzichten. Im europäischen Binnenmarkt kommt dies einer Einladung gleich, Tabakprodukte im Ausland zu kaufen und die dortige Tabaksteuer statt der deutschen zu bezahlen – ein wirtschafts- und fiskalpolitischer Irrweg. Einbußen für Industrie und Handel und ein Verlust bei den Steuereinnahmen werden die Folge sein. Dem deutschen Fiskus entgehen allein dadurch Steuereinnahmen von bis zu 1,8 Mrd. Euro.
Willkürliche Verbotskultur bei Zusatzstoffen
Darüber hinaus sind zahlreiche Verbote bestimmter Inhaltsstoffe wissenschaftlich nicht nachvollziehbar und willkürlich. Innerhalb kürzester Zeit sollen Rezepturen eines Großteils der Tabakprodukte umgestellt werden. Dies wirkt der ohnehin schier unmöglichen fristgerechten Produktionsumstellung zusätzlich entgegen. Hieß es im Thesenpapier der CDU zur Europawahl noch „Vielfalt statt Einheitsbrei...“ droht dem Mittelstand nun der Verlust seiner Produktvielfalt. Tür und Tor für Einheitsprodukte sind geöffnet.
Nebensächlich scheint auch die Tatsache zu sein, das die hierzulande ansässigen Werke zwei Drittel ihrer Gesamtproduktion für den Export herstellen und Deutschland damit Exportweltmeister ist. Denn unverständlich ist auch die Streichung der bisher gültigen Ausfuhrregelungen des Vorläufigen Tabakgesetzes. Leichtfertig werden tausende Arbeitsplätze in den deutschen Werksstandorten aufs Spiel gesetzt.
Bildwarnhinweise für Pfeifentabake, Zigarren und Zigarillos
Wurde der Mittelstand im Koalitionsvertrag noch als innovationsstarker Beschäftigungsmotor für Deutschland besonders herausgehoben, offenbart die politische Herangehensweise genau das Gegenteil. Mit der Argumentation eines verbesserten Jugendschutzes sieht die vorgesehene Regulierung künftig auch Bildwarnhinweise über die Zigarette hinaus vor. Aus Sicht der mittelständischen Hersteller ist das unter wirtschaftlichen Aspekten nicht umsetzbar, die Folge wird eine eingeschränkte Produkt- und Angebotsvielfalt sein. Zudem nicht zielführend, zumal Pfeifentabake, Zigarren und Zigarillos überwiegend und unbestritten von älteren Zielgruppen konsumiert werden.
Kommunikation mit dem Konsumenten unerwünscht
Getrieben vom Gesundheitswahn will die Politik endgültig ein umfassendes Werbeverbot für alle Tabakprodukte. Plakat- und Kinowerbung sowie die kostenlose Abgabe von Produkten an Erwachsene als einzig noch verbliebene Werbeformen wären damit nicht mehr zulässig. Grundregeln der sozialen Marktwirtschaft werden bewusst verletzt. Hersteller legaler Produkte könnten hierzulande nicht mehr mit ihren Kunden kommunizieren und für ein an Erwachsene frei verkäufliches Produkt werben.
Das Verbot von Plakat- und Kinowerbung sowie die versteckten zusätzlichen Kommunikationsverbote wirken auch wirtschaftsfeindlich: Der Fachverband Außenwerbung e.V. beziffert den durch ein derartiges Werbeverbot für Tabakprodukte eintretenden unmittelbaren Schaden auf ca. 250 Mio. Euro pro Jahr.
Aus Sicht der deutschen Tabakwirtschaft sind die Pläne der Bundesregierung eine unverhältnismäßige und unnötige Belastung für Industrie, Handel und auch den Staat. Eine ganze Branche fordert daher die zwingend nötige 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie und eine Fristenverlängerung.